Die Entwicklung im Personalbereich hat sich in den Steuerkanzleien in den letzten Jahren stark verändert und wird sich auch in Zukunft noch drastisch wandeln.
Die Nachfrage nach Steuerberatungsdiensten ist erheblich gestiegen. Sowohl für Unternehmen als auch für Privatpersonen. Für diese Entwicklung gibt es verschiedene Gründe, wobei zunehmende regulatorische und rechtliche Anforderungen ein entscheidender Auslöser sind. Das veranlasst heutzutage viele Personen und Unternehmen, mehr Unterstützung im Bereich Steuern und Finanzen aufzusuchen. Diese Entwicklung führt zu einem Anstieg der Nachfrage nach Arbeitskräften, was einen Fachkräftemangel zur Folge hat.
Auch die unausweichlich zunehmende Digitalisierung von Arbeitsabläufen hat großen Einfluss auf die Personalentwicklung von Kanzleien.
Zuallererst werden in diesem Artikel einige Fakten zur Personalentwicklung vorgestellt.
Aktuelle Fakten in der Steuerkanzlei
Die Anzahl der Steuerberater, Steuerbevollmächtigten und Personen gemäß §74 Abs.2 StBerG steigt kontinuierlich Jahr für Jahr. In den letzten 10 Jahren lässt sich ein durchschnittliches Wachstum von 1% pro Jahr verzeichnen, wobei das Wachstum von Jahr 2021 auf 2022 lediglich 0,4% beträgt.
Anzahl der Steuerberater, Steuerbevollmächtigten und Personen gemäß §74 Abs.2 StBerG
Jahr | Anzahl | Wachstum zum Vorjahr |
2021 | 89.418 | +1% |
2022 | 89.793 | +0,4% |
Die Anzahl der Mitglieder der Steuerberaterkammer im Jahr 2022 betrug 101.070 und stieg somit um 0,9% im Vergleich zum Vorjahr. Mitglieder sind zum Steuerberater bestellte natürliche Personen und Steuerberatungsgesellschaften.
Anzahl der Mitglieder der Steuerberaterkammer
Jahr | Anzahl | Wachstum zum Vorjahr |
2021 | 100.204 | +1,3% |
2022 | 101.070 | +0,9% |
Das Durchschnittsalter in dieser Branche liegt bei 53 Jahren und ist somit vergleichsweise hoch.
Zusätzlich zeigen die Zahlen der Zulassungen zur Steuerberatungsprüfung eine deutlich absteigende Tendenz. 2010 betrugen die Zulassungsanträge zur Prüfung noch 5.914, während 12 Jahre später diese Zahl auf 5.519 sinkt.
Wobei durchschnittlich nur rund 50% diese Prüfung bestehen.
Statistik zur Steuerberatungsprüfung
Jahr | Anzahl Zulassungen zur Prüfung | Anzahl der bestandenen Prüfungen | Besteher-Quote |
2009/2010 | 5.914 | 2.779 | 47% |
2021/2022 | 5.519 | 2.538 | 58% |
Auch die Anzahl der Ausbildungsverhältnisse zum Steuerfachangestellten bei den Steuerberaterkammern sind zum Jahr 2022 zurückgegangen, was auf die Corona-Pandemie zurückzuführen ist. Wobei diese Branche im Vergleich zu anderen Ausbildungsberufen gut ausgerüstet ist, da die allgemeine Tendenz zum Studium anstelle einer Ausbildung weiterhin steigt.
Ausbildungsverhältnisse zum Steuerfachangestellten bei den Steuerberaterkammern
Jahr* | Anzahl an Ausbildungsverhältnissen | Wachstum zum Vorjahr |
2021 | 17.694 | -2,3% |
2022 | 17.352 | -1,9% |
*Die Zahlen stammen jeweils vom Anfang des Jahres
Die folgende Statistik zeigt, dass die Angestelltenverhältnisse von Steuerberatern bei nicht berufsständischen Arbeitgebern, z.B. in der Steuerabteilung eines Unternehmens oder Verbandes, in den letzten Jahren angestiegen sind. Diese Angestellten werden auch Syndikus-Steuerberater genannt.
Statistik für Syndikus-Steuerberater
Jahr | Anzahl | Wachstum zum Vorjahr |
2021 | 7.127 | +5,1% |
2022 | 7.516 | +5,5% |
Probleme in der Personalentwicklung
Wie die Statistiken und Fakten deutlich zeigen, ist das Durchschnittsalter der Fachkräfte in den Steuerkanzleien drastisch angestiegen, während gleichzeitig die Anzahl der Ausbildungsverhältnisse und Zulassungen zur Steuerberatungsprüfung zurückgehen. Folglich tritt ein Großteil der Fachkräfte nach und nach in Ruhestand, während nicht genügend Nachfolger ausgebildet werden, um deren Stellen zu übernehmen. Das führt zu unbesetzten Positionen und Fachkräftemangel. Infolgedessen verlieren Kanzleien Mandanten oder müssen bestehende ablegen, weil ihnen schlichtweg die Fachkräfte fehlen, um diese zu betreuen.
Gründe für diese Entwicklung
Dass es zu einem Fachkräftemangel in den Steuerkanzleien gekommen ist, hat verschiedene Gründe. Einige davon werden hier aufgelistet:
- Fehlender Nachwuchs: Die Statistiken zeigen eindeutig das steigende Durchschnittsalter der Fachkräfte und die sinkenden Zahlen der möglichen Nachfolger. In den letzten Jahren ist das zum Teil der Corona-Pandemie zu schulden und der generellen Tendenz der Schulabgänger, ein Studium anstelle einer Ausbildung zu bevorzugen.
- Erschwerte Bedingungen: Steuerberater müssen die Prüfung ablegen, die sich durchschnittlich 1,5 bis zu 2 Jahren vorbereitet haben. Wie die Zahlen zeigen, besteht diese Steuerberatungsprüfung nur jeder Zweite, was erheblichen Druck auf die Anwärter ausübt und eventuell bereits früh von einer Entscheidung für diesen Beruf abschreckt.
- Hohe Belastung: Aufgrund der immer weiter steigenden Nachfrage nach Steuerberatungsdiensten und gleichzeitig sinkender Verfügbarkeit von Personal in Steuerkanzleien, müssen die vorhandenen Fachkräfte den Personalmangel ausgleichen und erfahren eine höhere Arbeitsbelastung. Das wirkt sich negativ auf den Erhalt und die Neugewinnung von Mitarbeitern aus.
- Andere attraktive Anstellungsverhältnisse: Selbst, wenn die Prüfung bereits bestanden wurde und der neu bestellte Steuerberater bereit für die Berufswelt ist, bedeutet es nicht, dass dieser automatisch bei einer Steuerkanzlei arbeiten wird. Denn immer mehr Steuerberater entscheiden sich für den Weg als Syndikus-Steuerberater. Bei diesem Arbeitsmodell ist der Steuerberater bei einem Unternehmen oder einer Organisation angestellt und für die Beratung und Beurteilung von steuerlichen Angelegenheiten und Fragen verantwortlich. Diese Unternehmen und Organisation bieten häufig bessere Arbeitsbedingungen und höhere Gehälter, was sie attraktiver für Fachkräfte in der Branche macht.
- Zunehmende Digitalisierung: Selbstverständlich zieht die Digitalisierung von Arbeitsabläufen auch an der Branche der Steuerkanzleien nicht vorbei. Der Einsatz moderner Technologien kann Arbeitsabläufe vereinfachen und Zeit einsparen. Dafür muss allerdings das nötige Fachwissen zu den Technologien bestehen und erlernt werden.
Wie kann dieser Entwicklung entgegengewirkt werden?
- Ausbildungen anbieten und attraktiver gestalten: Kanzleien, die Ausbildungsmöglichkeiten anbieten, haben eine Chance, potentielle Fachkräfte frühestmöglich in die Kanzlei mit einzubinden und sich als attraktiven, künftigen Arbeitgeber zu positionieren. Außerdem soll durch eine Neuordnung der Steuerfachangestelltenausbildung mit IT-bezogenen Schwerpunkten der Beruf künftig attraktiver und digitaler gestaltet werden.
- Das Anwerben von Studenten: Frühzeitiger Kontakt zu Studenten, z.B. durch das Anbieten von Praktika, bietet einige Möglichkeiten. Das Interesse der anstrebenden Fachkräfte kann dadurch geweckt werden und Kontakte werden geknüpft, um als potenzieller Arbeitgeber in Frage zu kommen.
- Weiterbildungsmöglichkeiten: Zusatzqualifikationen werden immer gefragter und es besteht ein hoher Bedarf an Beratern mit spezialisierten Fachwissen, wie z.B. für Internationales Steuerrecht oder für Zölle und Verbrauchsteuern. Durch Fortbildungen wird das Fachwissen vertieft und sich auf aktuelle Entwicklungen vorbereitet.
- Effektives Marketing der eigenen Kanzlei: Um bei der Auszubildenden- und Mitarbeitergewinnung gegen konkurrierende Kanzleien aufzufallen, müssen Maßnahmen der Marketingstrategie umgesetzt werden. Unter Anderem ist hier die Kanzleiwebsite von großer Bedeutung, um die Kanzlei als attraktiven Arbeitgeber darzustellen.
- Attraktive Bedingungen: Da sich der Arbeitsmarkt von einem Arbeitgebermarkt zu einem Bewerbermarkt gewandelt hat, ist der Arbeitgeber gezwungen, attraktivere Bedingungen zu bieten und gegen konkurrierende Kanzleien und Arbeitgeber herauszustechen. Zu diesen Bedingungen können gehören: flexible Arbeitszeiten, attraktive Vergütungsmodelle, ortsunabhängiges Arbeiten, Aufstiegsmöglichkeiten, etc.
- Gute Mitarbeiterführung und -motivation: Nicht nur die Gewinnung von Fachkräften ist für eine Kanzlei entscheidend, sondern vor allem auch das Entgegenwirken einer starken Fluktuation. Damit es in erster Linie nicht zu einem Personalmangel kommt, ist eine gute Strategie zur Mitarbeiterführung das A und O. Dazu gibt es verschiedene Maßnahmen: ein sicheres, kommunikatives Arbeitsklima; offene Kommunikation unter Angestellten, sowie zum Vorgesetzten (z.B. regelmäßige Mitarbeiterbefragungen); anspruchsvolle Aufgaben und Eigenverantwortung für Angestellte; mitbestimmte Arbeitsplatzgestaltung; etc.
Fazit
Die Tendenzen der Personalentwicklung in den Steuerkanzleien sind in den Statistiken deutlich wiedererkennbar und der Fachkräftemangel ist längst kein überraschendes Phänomen mehr. Dieser Entwicklung muss frühestmöglich entgegengewirkt werden und Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung sowie der Fachkräftebindung müssen erfolgen. Für Kanzleien gibt es dafür zahlreiche Möglichkeiten, neue Fachkräfte zu fördern und attraktive Bedingungen zu bieten.