Entscheidungen wie der Verkauf der eigenen Steuerkanzlei lassen sich nicht leicht treffen… Sie brauchen reichlich Zeit und Überlegung, denn in der Regel haben Betroffene Jahre, wenn nicht Jahrzehnte in ihrer eigenen Kanzlei gearbeitet – Höhen und Tiefen erlebt, Mitarbeiter gehen und kommen sehen und viel Herzblut in die Praxis hineingesteckt. Umso wichtiger also, die eigene Steuerkanzlei in die richtigen Hände zu geben! Wir haben Ihnen in diesem Artikel alles Wichtige zum Thema Kanzleiverkauf bzw. Übernahme zusammengefasst, informieren Sie über die wichtigsten Kennzahlen und begleiten Sie Schritt für Schritt durch den Verkaufsprozess. 

Bewertungskriterien und Kennzahlen beim Verkauf einer Steuerberaterkanzlei

Ganz gleich aus welchem Grund sich der Kanzleiinhaber dazu entscheidet, seine Kanzlei zum Verkauf anzubieten – Ob aus finanzieller, altersbedingter oder sonstiger Gründe – ein derartiges Unterfangen will wohl überlegt und im Voraus geplant sein! Zunächst gilt es, sich die aktuellen Marktbedingungen und Zukunftsprognosen den Steuerberatermarkt betreffend anzusehen. Dies kann eine erste Entscheidungshilfe hinsichtlich der Angebot-Nachfrage sein und dahingehend bei der Kalkulation des Verkaufspreises miteinfließen. 

Auch ein Blick auf die Betriebswirtschaftliche Auswertung, den Mandantenstamm sowie die Mandantenstruktur und die eigenen Spezialleistungen genauer unter die Lupe zu nehmen – Denn all diese Faktoren haben später einen mehr oder minder großen Einfluss auf das Image der Kanzlei und somit auch auf den Attraktivitätsfaktor und den zu kalkulierenden Verkaufspreis. Denn der Wert einer Steuerberaterpraxis ist nicht nur von den sog. harten Kennzahlen, sondern vor allem auch von den weichen Kennzahlen abhängig! 

Wir haben Ihnen im Folgenden die wichtigsten Kennzahlen in Sachen Kanzleiverkauf zusammengefasst:

  • Anlagevermögen 
  • ideeller Wert des Mandantenstamms
  • Standort der Kanzlei
  • Konkurrenzsituation im Einzugsgebiet
  • Möglichkeiten der Expansion
  • Umsatzstruktur
  • Mandantenstruktur (Alter und Bonität sowie Zahlungsmoral der Mandanten)
  • Leistungsstruktur
  • Spezialisierung der Kanzlei auf gewisse Beratungsbereiche

Beurteilungsfaktor Kundenstamm: Die Mandantenanalyse

Der Mandantenstamm ist einer der wesentlichen Beurteilungsgrößen hinsichtlich der Bonität einer Steuerberaterkanzlei. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, zuallererst eine detaillierte Analyse der Mandate vorzunehmen. Grundsätzlich gilt, je mehr Mandanten Teil des Mandantenstamms, desto höher kann der zu kalkulierende Verkaufspreis der Steuerberaterpraxis ausfallen!

Mandatsanalyse

Hierfür eignet sich besonders eine Auflistung der Mandate insgesamt sowie deren einzelne Anteile am Umsatz. Weiterhin sollten auch genaue Zahlen hinsichtlich übernommener Kleinmandate in die Analyse aufgenommen werden. Auch eine Übersicht der Neu-Mandate sowie der Erlösveränderung je Mehrmandat sollte im Rahmen der Mandatsanalyse vorgenommen werden. Auch das Expansionsverhalten der Kanzlei kann in diesem Kontext zu einer weiteren Größe hinsichtlich der Kalkulation des Verkaufspreises werden.

In einem weiteren Schritt kann dann eine Deckungsbeitragsrechnung erfolgen, d.h. eine Aufstellung der Personalkosten pro Mandant sowie eine extra Kalkulation, die den Unternehmerlohn pro Mandant zeigt.

Altersanalyse der Klientel

Auch die Altersstruktur der Mandanten ist eine wichtige Kennzahl bei der Kalkulation des Verkaufspreises einer Steuerberaterkanzlei. Hierfür eignet sich eine detaillierte Aufstellung der Akquisitionskraft im Zeitverlauf – Beginnend mit der Gründung der Kanzlei bis zum heutigen Jahr. Vor dem Hintergrund dieser Kennzahl kann außerdem eine Auflistung der Zugänge von Jahr x bis Jahr y vorgenommen werden, sowie der damit verbundene Umsatz und der Anteil am Gesamterlös.

ABC-Kundenanalyse

Eine ABC-Analyse kann die Bedeutung der Kundengruppen sowie die praxisinterne Sensitivität auf Mandatsumstrukturierungen offenlegen – Aus diesem Grund sollte sie bei der Planung eines Kanzleiverkaufs in jedem Fall in die Kalkulation mitberücksichtigt werden. Je nach Größe der Kanzlei erfolgt eine Einteilung in die Gruppen A, B und C. In der Regel geht man davon aus, der Betriebserlös durch Mandate der Gruppe A lieg ÜBER dem Durchschnitt. Erlöse durch Mandate der Gruppe B befinden sich dagegen im guten Mittelfeld, wohingegen Mandate der Gruppe C lediglich einen kleinen Anteil am Betriebserlös besitzen. Aus den Ergebnissen dieser Analyse können dann weitere wichtige betriebliche Entscheidungen getroffen werden bzw. Rückschlüsse die Wirtschaftlichkeit und Struktur der Kanzlei betreffend gezogen werden.

Die Beurteilung der Leistungsstruktur einer Kanzlei

Auch die Leistungsstruktur einer Steuerberaterpraxis ist eine wichtige Kennzahl. Hieraus können nämlich zum einen Daten zur jeweiligen Fachrichtung erhoben werden und zum anderen Rückschlüsse auf die Bonität der Praxis gezogen werden. 

Zur Beurteilung der Leistungsstruktur einer Steuerberaterkanzlei sollte zunächst eine detaillierte Aufstellung der einzelnen Leistungsarten in Verbindung mit dem jeweiligen Anteil am Gesamtumsatz erstellt werden. Das Ganze kann wie Folgt aussehen:

Effektive Zahlen:

Jahr201720182019
Betriebserlös gesamt400.000€395.000€405.000€
Wirtschafts- prüfung80.000€50.000€75.000€
Steuerberatung120.000€140.000€130.000€
Buchführung200.000€205.000€200.000€

Planzahlen:

Jahr20202021
Betriebserlös gesamt408.000€415.000€
Wirtschaftsprüfung73.000€78.000€
Steuerberatung135.000€137.000€
Buchführung200.000€200.000€

Ausgehend von diesen Zahlen können weiterhin Zahlen zu produktiven Stunden berechnet werden, sowie der Gesamterlös je produktiver Stunde im jeweiligen Leistungssektor.

Die Organisationsstruktur der Kanzlei – Je digitaler, desto besser!

Eine weitere wichtige Kennzahl besteht in der Organisationsstruktur und dem Digitalisierungsgrad der jeweiligen Steuerberaterkanzlei. Eine Auflistung der eingesetzten EDV-Programme sowie ein Bewertungsschema der Anwendungen kann hierfür zu Rate gezogen werden. Bei einer derartigen Aufstellung ist es ratsam, die eingesetzten technischen Anwendungen nach Standardanwendungen und fortschrittlichen Anwendungen aufzuteilen. 

Hierbei lohnt sich sicher auch ein Blick auf den aktuellen Markt in Form eines Branchenvergleichs – Denn so kann besser eingeschätzt werden, ob und wie fern die eigene Kanzlei in Sachen Organisation und Digitalisierung wettbewerbsfähig ist. 

Bewertet werden könnte bspw. nach folgendem Maßstab: 

  • nicht wettbewerbsfähig
  • bedingt wettbewerbsfähig
  • wettbewerbsfähig
  • gut wettbewerbsfähig
  • sehr wettbewerbsfähig
  • überaus wettbewerbsfähig

Kennzahl Mitarbeiter – Wichtiger Einflussfaktor für den Kanzleierfolg

Neben den oben genannten Kennzahlen zu Mandaten, Mandanten sowie der allgemeinen Leistungsstruktur der Kanzlei tragen insbesondere auch die Mitarbeiter eine wichtige Rolle in Bezug auf den Erfolg einer Kanzlei. Aus diesem Grund ist die Personalanalyse auch für die Kalkulation des Verkaufspreises ein wichtiger Faktor – Denn je besser die Mitarbeiter, desto höher das Image, desto attraktiver erscheint die Kanzlei für potentielle Käufer. 

Bei der Personalanalyse können verschiedene Daten zu Rate gezogen werden. Hierzu gehören bspw. die Personalkosten gesamt, die Anzahl der Mitarbeiter, der Mietaufwand pro Mitarbeiter, die Summe der Personalkosten pro geleisteter Arbeitsstunde, die allgemeine Produktivität der Mitarbeiter sowie die Raumkosten und der Raumbedarf pro Mitarbeiter. Auch ein Blick auf die Summe der unproduktiven Stunden lohnt sich hier! Ebenso wie eine Aufstellung der Feiertags- Urlaubs- und Fortbildungsstunden, sowie Krankheit.

Welche Unterlagen müssen bei der Kalkulation des Kaufpreises außerdem vorliegen?

Zur Bewertung und Analyse einer Steuerberaterkanzlei sowie zur Kalkulation eines Verkaufspreises sind insbesondere folgende Unterlagen von Bedeutung: 

  • Einnahmen-Überschuss-Rechnung
  • BWA
  • Dauerverträge (Miet- oder Pachtverträge sowie Arbeitsverträge und sonstige vertraglich geregelte Verhältnisse)
  • Lohn- und Stundenaufzeichnungen
  • Einzelabrechnungen
  • Mandantenstamm (inkl. ABC-Analyse)
  • Einsatzzeiten der Mitarbeiter/ des Inhabers

Wann sollte mit der Planung begonnen werden?

Steuerberater, die den Wunsch hegen, ihre Kanzlei mitsamt Mandantenstamm und Mitarbeitern zu verkaufen, sollten darauf achten, den Verkauf mit reichlich Vorlauf zu Planen! Bei der Planung eines Kanzleiverkaufs rechnet man in der Regel mit drei Jahren Vorlaufzeit. In diesem Zeitraum bleibt ausreichend Zeit, Daten zu den oben genannten harten sowie den und weichen Kennzahlen nicht nur zu sammeln, sondern hiervon ausgehend auch Prognosen für die weitere Entwicklung zu stellen.

Welche Formen des Verkaufs einer Steuerkanzlei gibt es?

Entscheidet sich ein Steuerberater dazu, seine Steuerkanzlei zu verkaufen, so geschieht dies meist in Form einer Übergabe des kompletten Betriebs – Inklusive aller Mitarbeiter sowie der Räumlichkeiten, dem Inventar und dem Mandantenstamm. Wichtig ist es hierbei im Vorhinein auch die bestehenden Miet- und Pachtverhältnisse der Räumlichkeiten abzuklären (sofern das Gebäude nicht bereits im Besitz des Verkäufers ist). Sollte das Gebäude bereits im Besitz des verkaufenden Steuerberaters sein, sollte sich dieser außerdem Gedanken über einen möglichen Verkauf der gesamten Immobilie machen. In einer Vielzahl der Fälle entscheidet sich der Kanzleiverkäufer erfahrungsgemäß für den Verkauf der Kanzlei und die Vermietung der dazugehörigen Immobilie. 

Wer kommt als Käufer in Frage?

Grundsätzlich gilt, dass lediglich staatlich geprüfte Steuerberater oder Steuerfachwirte als Kanzleiinhaber in Frage kommen. Ein Verkauf an Angehörige anderer Berufe oder gar Branchen ist zum einen mit Hinblick auf das Wohl der Mandanten nicht sinnvoll, zum anderen gar nicht erst zulässig. Die Bundesteuerberaterkammer veröffentliche diesbezüglich Folgendes: „Die Steuerberaterpraxis muss stets verantwortlich von einer Person geführt werden, die zur unbeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist.“ – Eben jene Hilfeleistung ist lediglich durch Berufsträger des Steuerwesens gewährleistet.

Der Kauvertrag

Hat ein Kanzleiinhaber einen geeigneten Verkäufer gefunden, gilt es die getroffenen Vereinbarungen auch vertraglich festzuhalten. Hierbei es ratsam, die verhandelten Punkte stets präzise formuliert und umfassend dargestellt in den Vertrag aufzunehmen! – Dies vermeidet oftmals Streit und trägt dazu bei, etwaige Unklarheiten schnell zu klären. 

Teil eines Kaufvertrags sind insbesondere folgende Punkte:

  • Stichtag des Übertrags
  • Mandanteneinwilligung: Da ein jeder Steuerberater berufsbedingt zur absoluten Verschwiegenheit verpflichtet ist, muss bei Verkauf der Kanzlei ein jeder Mandant schriftlich informiert werden und der Übergabe seiner Daten zustimmen. Wird dieser Aufgabe nicht nachgekommen, ist die Übergabe nicht rechtskräftig, da Mandanten nicht zwangsläufig automatisch mit Verkauf der Kanzlei an den neuen Inhaber übergehen. 
  • Kaufpreis und Zahlungsbedingungen (sowie ggf.  Aussagen zur Finanzierung des Kaufpreises)
  • Althonorare
  • Mandantenliste
  • Inventar
  • Eintritt in bestehende Verträge
  • Hinweis auf Aufbewahrungspflichten
  • Personalliste
  • Überleitende Tätigkeit des bisherigen Inhabers der Steuerkanzlei
  • Wettbewerbsverbot
  • Haftung
  • Salvatorische Klausel: Hierbei handelt es sich um eine Bestimmung, welche die Rechtsfolgen regelt, sollte sich ein Vertragsbestandteil als unwirksam erweisen. Diese Klausel kann bspw. wie Folgt formuliert werden: „Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam oder undurchführbar sein oder nach Vertragsschluss unwirksam oder undurchführbar werden, bleibt davon die Wirksamkeit des Vertrages im Übrigen unberührt.“ 
  • ggf. Schiedsklausel 

In 10-Schritten zum Verkauf einer Steuerkanzlei 

Schritt 1: Persönlichen Zeitplan festlegen 

Rechnen Sie in jedem Fall mit einer Planungszeit von 2-3 Jahren!

Schritt 2: Ggf. Einleitung bestimmter Wertsteigerungsmaßnahmen

Sollten Sie bereits damit rechnen, dass der Wert der Kanzlei unterdurchschnittlich ausfällt, können Sie praxiswertsteigernde Maßnahmen einleiten! Dies erweist sich natürlich nur dann als sinnvoll und vor allem durchführbar, wenn mit genug Vorlaufzeit geplant wurde… 

Schritt 3: Festlegen persönlicher und fachlicher Anforderungen an den Käufer 

Hierbei ist es auch wichtig, die eigene Kanzleistruktur im Blick zu behalten, sowie ggf. die angebotenen Sonder- und Spezialleistungen

Schritt 4: Bewertung der Kanzlei sowie Entwicklung einer Kaufpreisvorstellung

Schritt 5: Informieren der Mitarbeiter sowie der Mandanten

Schritt 6: Kontakt zu potentiellen Nachfolgern aufnehmen

Schritt 7: Erstellen einer Liste der potentiellen Käufer sowie Auswahl eines Nachfolgers

Schritt 8: Verhandlung mit dem Nachfolger sowie Einholen des Einverständnisses zur Übergabe der Daten der Mandanten

Hier können bspw. grundlegende gegenseitige Erwartungen geklärt werden sowie Übertragungsmodalitäten und Bedingungen verhandelt werden. 

Schritt 9: Vertragsschluss

Schritt 10: Vertragsabwicklung