Jüngst ging ein Artikel eines Mitarbeiters einer amerikanischen Kanzlei viral, in dem er davon berichtet, wie er seine Tätigkeit mithilfe eines selbst geschriebenen Computerskripts automatisiert, sodass für ihn selbst kaum mehr Arbeit anfällt. Die Netzwelt reagierte mit tausenden von Kommentaren, der Artikel wurde vielfach geteilt – doch was steckt hinter der Automatisierung des besagten Kanzleiangestellten? Und wie realistisch ist eine Vollautomatisierung der Tätigkeiten von Steuerberatern und Rechtsanwälten wirklich?

Wir sind der Sache auf den Grund gegangen!

Hintergrund der Automatisierungsgeschichte

„I automated my job over a year ago and haven’t told anyone“ – so beginnt der Artikel des besagten Kanzleimitarbeiters auf Reddit. Er arbeite für eine mittelgroße Anwaltskanzlei als IT-Spezialist und sei vornehmlich für die Verarbeitung und Prüfung von Beweisen in digitalem Format zuständig, so heißt es. Für diese Tätigkeit seien von der Kanzlei 8h/ Tag vorgesehen. Schnell stellte er jedoch fest, dass dies keinewegs eine Aufgabe für 8h/ Tag, 5 Tage die Woche sei, weshalb er oftmals Maßnahmen zur weiteren Arbeitsbeschaffung betrieb. Als Covid die Staaten erreichte, wechselte er ins Home Office und begann, ein Skript zur Automatisierung seiner Verwaltungs-, Verarbeitungs- und Prüfungsaufgaben zu schreiben – mit Erfolg. Er berichtet weiter, es verbringe maximal 10 Minuten am Tag am Schreibtisch, der Rest erledige das Skript. Und wenngleich er zu Beginn durchaus Schuldgefühle verspürte, ließ er das Skript weiterhin für ihn arbeiten. Er habe sich selbst früher oder später davon überzeugen können, dass er genau das mache, was die Kanzlei von ihm wolle und gleichzeitig sein Leben genießen könne. In diesem Sinne spricht er stolz von einem „Win win for everyone involved.“ Doch was bedeutet die Geschichte des amerikanischen IT-Spezialisten für Kanzleien in Deutschland?

Automatisierung in Kanzleien – was ist realistisch, was nicht?

Wenngleich wir uns im Falle des obigen Kanzleimitarbeiters durchaus vorstellen können, dass das funktionieren kann, glauben wir nicht, dass sich derartige Automatisierungen auf sämtliche Tätigkeitsbereiche in Steuerberater- oder Anwaltskanzleien ausweiten lassen. Im Gegenteil, die Mandantenbetreuung wird ebenso künftig von echten Menschen vollzogen, wie das Verhandeln vor Gericht. Was klassische Verwaltungs- oder Prozessaufgaben angeht, schon eher.

Denn schon jetzt ist spürbar, wie die Digitalisierung immer mehr Bereiche des öffentlichen Lebens verändert. Arbeitsabläufe werden digitaler, Institutionen durch digitale Schnittstellen vernetzter. Gleichzeitig wächst der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI). All diese Faktoren spielen dabei in die Karten der Kanzleiinhaber, denn sie bringen nicht nur enorme Zeit- und Kosten- sondern auch Ressourcenersparnis was bürokratische Aufgaben angeht mit sich. So bleibt mehr Zeit für die eigentliche beratende Tätigkeit der Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer.

Kann Automatisierung eine Antwort auf den Fachkräftemangel liefern?

Jein. Wie zuvor angedeutet, halten wir eine Automatisierung der Tätigkeiten nur in bestimmten Bereichen für realistisch und umsetzbar. Das täglich‘ Brot der Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer ist die persönliche Betreuung und Beratung von Mandanten – daran wird sich vorerst nichts ändern. Was kanzleiinterne Aufgaben wie die Organisation oder Verwaltung sowie sonstige bürokratische Aufgaben angeht, kann eine Automatisierung, sofern an richtiger Stelle implementiert, jedoch durchaus Fachkräfte ersetzen und so zumindest teilweise den bundesweiten Personalmangel in der Steuerbranche kompensieren oder Engpässe hinauszögern. Für einen gewissen Anteil der Aufgaben werden Kanzleien aber nach wie vor im „war of talents“ gegen ihre Konkurrenten antreten müssen. Umso wichtiger also, auf die richtige Recruiting-Strategie zu setzen.