Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren rasant verändert, und hybride Arbeitsmodelle haben sich als ein zentrales Element dieser Transformation etabliert. Was einst eine Notwendigkeit in der Corona-Pandemie war, ist heute ein fester Bestandteil moderner Arbeitsstrukturen. Auch in der Steuerberatung, einem Berufsfeld, das traditionell von Büroarbeit und direktem Kundenkontakt geprägt ist, gewinnen hybride Arbeitsmodelle zunehmend an Bedeutung. Sie bieten sowohl Chancen als auch Herausforderungen, die es zu analysieren gilt.

Hybrides Arbeiten: Definition und Modelle

Hybrides Arbeiten beschreibt eine Arbeitsform, bei der die Tätigkeit sowohl im Büro als auch von einem anderen Ort, etwa dem Homeoffice, ausgeführt wird. Diese Flexibilität betrifft nicht nur den Arbeitsort, sondern auch die Arbeitszeit. Statt eines klassischen Nine-to-Five-Ansatzes gewinnen Modelle an Beliebtheit, die eine individuelle Gestaltung der Arbeitszeit ermöglichen.

Die Hybrid-Work-Matrix, entwickelt von Lynda Gratton, bietet vier grundlegende Modelle:

  • Traditionelles Büro: Ortsgebundene Arbeit mit festen Zeiten.
  • Ortsgebunden jederzeit: Flexible Zeitgestaltung bei Arbeit im Büro.
  • Überall von 9 bis 5: Ortsunabhängige Arbeit bei zeitlicher Einschränkung.
  • Überall jederzeit: Vollständige Flexibilität hinsichtlich Ort und Zeit.

In der Praxis bevorzugen viele Unternehmen ein gemischtes Modell wie das sogenannte 3+2-Modell, bei dem drei Tage Präsenzarbeit und zwei Tage mobiles Arbeiten kombiniert werden. Diese Modelle werden von Mitarbeitern als ausgewogene Lösung wahrgenommen, die sowohl Flexibilität als auch den persönlichen Austausch fördert.

Status quo in der deutschen Wirtschaft

Laut einer Konjunkturumfrage des Ifo-Instituts sind hybride Arbeitsformen in der deutschen Wirtschaft weit verbreitet. Rund 24,1 % aller Beschäftigten arbeiten zumindest teilweise von zu Hause, im Dienstleistungssektor sogar 34,1 %. In der Steuerberatung zeigt sich ein ähnlicher Trend, auch wenn sich traditionelle Strukturen oft langsamer anpassen.

Ein Blick auf die Juristenbranche, die ähnlich strukturiert ist, gibt Hinweise auf die Entwicklung in der Steuerberatung. In Kanzleien arbeiten 71 % der Anwälte teilweise im Homeoffice und verbringen durchschnittlich 1,8 Tage pro Woche außerhalb des Büros. Unternehmensjuristen sind mit 2,7 Homeoffice-Tagen pro Woche noch flexibler. Diese Werte verdeutlichen, dass hybride Arbeitsmodelle nicht nur akzeptiert, sondern auch effektiv genutzt werden.

Vorteile hybrider Arbeitsmodelle in der Steuerberatung

Flexibilität und Work-Life-Balance

Hybrides Arbeiten ermöglicht Steuerberatern, ihre Arbeitszeit und den Arbeitsort an individuelle Bedürfnisse anzupassen. Besonders in einem Berufsfeld mit hoher Arbeitsbelastung kann diese Flexibilität zur Entlastung beitragen. Mitarbeiter können so Beruf und Familie besser vereinbaren und ihre persönlichen Prioritäten berücksichtigen.

Produktivitätssteigerung

Studien zeigen, dass Mitarbeiter im Homeoffice oft produktiver arbeiten. Dies liegt unter anderem an der ruhigeren Arbeitsumgebung und der Einsparung von Pendelzeiten. Für Steuerberater, deren Arbeit oft detaillierte Analysen und konzentriertes Denken erfordert, bietet das Homeoffice optimale Bedingungen.

Kosteneinsparungen

Hybrides Arbeiten reduziert die Notwendigkeit großer Büroflächen. Unternehmen können Mietkosten senken, während Mitarbeiter von geringeren Ausgaben für Fahrten zur Arbeit und Verpflegung profitieren.

Erweiterung des Talentpools

Durch die Möglichkeit, remote zu arbeiten, können Steuerberatungskanzleien Talente aus anderen Regionen oder sogar Ländern rekrutieren. Dies steigert die Chancen, hochqualifizierte Fachkräfte zu gewinnen.

Herausforderungen und Nachteile

Erhöhter Koordinationsaufwand

Die unterschiedliche Verteilung von Präsenz- und Remote-Tagen erfordert eine gute Organisation. Fehlende Abstimmung kann zu Verzögerungen oder Kommunikationsproblemen führen.

Verlust von persönlichem Austausch

Persönliche Interaktionen fördern Kreativität, Wissensaustausch und Teamzusammenhalt. Diese Vorteile können durch hybride Arbeitsmodelle abgeschwächt werden, wenn der persönliche Kontakt zu selten stattfindet.

Kontrollproblematik

Für manche Unternehmen bleibt die Kontrolle der Arbeitsleistung eine Herausforderung. Eine fehlende Vertrauenskultur kann die Vorteile des hybriden Arbeitens beeinträchtigen.

Technische Voraussetzungen

Hybrides Arbeiten setzt eine robuste IT-Infrastruktur voraus. Unternehmen müssen sicherstellen, dass Mitarbeiter auch remote Zugang zu allen notwendigen Ressourcen haben.

Hybride Arbeitsmodelle in der Steuerberatung

Alles digital? Schön wär’s… Doch leider lassen sich nach wie vor nicht alle Bereiche der Steuerberatung virtuell abbilden. Im Gegenteil: Gerade die Beratung der Mandanten ist von persönlichem Kontakt geprägt. Aus diesem Grund hat sich insbesondere in den letzten Monaten und Jahren das Modell der hybriden Steuerkanzlei etabliert. Denn hiermit lassen sich Tradition und Innovation optimal miteinander vereinbaren.

Einige Kanzleien handhaben es bspw. so, dass Beratungsgespräche persönlich und vor Ort abgehalten werden, die Bearbeitung der Dokumente und Unterlagen jedoch stets aus dem Home-Office erfolgt. Voraussetzung für Letzteres ist natürlich, dass die Grundsätze, die auch im Büro vor Ort gelten, stets eingehalten werden. Verschwiegenheit, Dokumentation der Leistungen, klare Anwesenheitszeiten und Erreichbarkeit müssen gegeben sein. Demnach muss auch die Kommunikation reibungslos funktionieren: Telefone werden umgeleitet, und auch intern stehen Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung. Ebenso muss der Arbeitsplatz im Home-Office gleich wie im Büro vor Ort ausgestattet sein. Jeder Angestellte im Home-Office, ganz gleich ob zu Hause oder im Ausland, sollte außerdem ein gewisses Know-how in Bezug auf virtuelle Kommunikation besitzen – denn nur so kann reibungslos gearbeitet werden.

Eine weitere Möglichkeit, das Prinzip einer hybriden Steuerkanzlei umzusetzen, besteht darin, Home-Office wochenweise zu realisieren. Teilen sich mehrere Mitarbeiter ein Büro, bekommt jeder wochenweise im Wechsel die Möglichkeit, im Home-Office bzw. remote zu arbeiten.

In der Steuerberatung gibt es besondere Anforderungen, die hybride Arbeitsmodelle beeinflussen:

  • Datenschutz und IT-Sicherheit: Steuerberater arbeiten mit sensiblen Kundendaten. Eine sichere IT-Infrastruktur ist unverzichtbar, um Datenschutzanforderungen zu erfüllen.
  • Mandantenkommunikation: Viele Mandanten bevorzugen persönliche Beratungsgespräche. Hybride Modelle sollten daher Präsenzzeiten vorsehen, um den direkten Kontakt zu gewährleisten.
  • Teamarbeit und Wissensaustausch: Steuerberatung ist oft Teamarbeit. Eine klare Regelung der Präsenztage fördert den persönlichen Austausch und verhindert Informationsverluste.

Fazit und Ausblick

Hybride Arbeitsmodelle bieten in der Steuerberatung viele Vorteile, von der gesteigerten Flexibilität bis zur Kostenersparnis. Gleichzeitig erfordern sie jedoch Anpassungen in der Organisation, um Herausforderungen wie Koordinationsprobleme oder den Verlust persönlicher Interaktionen zu bewältigen.

Langfristig dürfte sich ein Modell durchsetzen, das Präsenzzeiten und Remote-Arbeit in einem ausgewogenen Verhältnis kombiniert. Insbesondere die Entwicklung einer Vertrauenskultur und die Investition in IT-Infrastruktur sind entscheidend, um hybride Arbeitsmodelle erfolgreich zu implementieren. Unternehmen, die diese Herausforderungen meistern, können nicht nur ihre Attraktivität als Arbeitgeber steigern, sondern auch von einer produktiveren und zufriedeneren Belegschaft profitieren.

Hybrides Arbeiten in der Steuerberatung ist also nicht nur eine Anpassung an aktuelle Trends, sondern ein zukunftsfähiges Modell, das sowohl den Mitarbeitern als auch den Unternehmen zugutekommt.