Jedes gute Unternehmen hat eine Unternehmenskultur. Zahlreiche Unternehmer, darunter im Speziellen auch Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer, sind sich dessen jedoch nicht bewusst – und das, obwohl eine Unternehmenskultur enorme Potenziale sowohl bei der Personalbindung, als auch bei der Personalgewinnung besitzt.

Sie fragen sich, wie mit einer Unternehmenskultur konkret Personal angezogen werden kann? Möchten wissen, wie eine gute Unternehmenskultur in der Kanzlei aussieht? Dann sind Sie hier genau richtig!

Was braucht eine gute Unternehmenskultur?

Eine Unternehmenskultur besteht aus unterschiedlichen Werten, Haltungen und Verhaltensweisen. Diese geben die Art und Weise vor, wie die Angestellten arbeiten und sich im Büro- oder Kanzleialltag verhalten.

Einer aktuellen Umfrage der statista* zur Unternehmenskultur zufolge, sind nahezu 30% der Unternehmenskulturen im Jahr 2021 teamorientiert. Damit zeigt sich bereits ein erster wichtiger Wert: Gemeinsame Arbeit im Team anstelle von hartem Konkurrenzdenken. Dies stärkt nicht nur das Gemeinschaftsgefühl, sondern wirkt sich auch positiv auf das Arbeitsklima und das individuelle Stresslevel der Mitarbeiter aus. Ebenso sind Werte wie persönliche Wertschätzung (nicht nur durch Kollegen, sondern auch durch die Kanzleispitze), Fairness, ein respektvoller und toleranter Umgang untereinander Teil einer jeden guten Unternehmenskultur. Gleichzeitig kann sich eine offene Fehler- sowie Feedbackkultur positiv auf die Unternehmenskultur auswirken.

Unternehmenskultur muss gelebt werden!

Wichtig zu wissen ist bei all diesen Werten jedoch, dass sie von sämtlichen Beteiligten – also sowohl von allen Angestellten in der Kanzlei, als auch von allen Führungskräften – aktiv gelebt werden müssen. Eine Unternehmenskultur gestaltet sich in der Regel überdies über einen reziproken Prozess, d.h., die Werte, Einstellungen und Verhaltensweisen werden nicht stur von der Kanzleispitze vorgegeben, sondern transparent über Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entwickelt. So wird gewährleistet, dass sich alle in der Kanzlei gleichermaßen angesprochen fühlen.

Wie jede Kultur ist auch die Unternehmenskultur einem dynamischen Wandel unterworfen. So hat bspw. die Corona-Pandemie ganz maßgeblich zu einem Wertewandel geführt – Menschen schätzen mehr denn je ein positives Arbeitsklima und eine gute Work-Life-Balance. Hierauf heißt es als Unternehmen zu reagieren und die Unternehmenskultur dahingehend auszurichten, denn nur so kann Personal gebunden und neues gefunden werden.

Wie kann eine Unternehmenskultur in der Kanzlei aussehen?

Ebenso wie Unternehmen sollten Kanzleien versuchen, ihre Werte vornehmlich an den Bedürfnissen ihrer Angestellten zu orientieren. Besonders wichtig ist dabei das Setzen von Rahmenbedingungen und Zeichen, für die die Kanzlei steht. So bspw. eine flexible Arbeitszeitregelung im Sinne einer positiven Work-Life-Balance, offene Türen bei Vorgesetzten im Sinne flacher Hierarchien, das Einführen gemeinsamer Rituale im Sinne des Teamgedankens und so weiter.

Lieber Schritt-für-Schritt als direkt Vollgas

Einer der größten Fehler, die Kanzleien machen, ist eine Unternehmenskultur zu etablieren, die sich zwar auf dem Papier gut anhört, aber in der Praxis keine Anwendung findet. Dies geschieht meist dann, wenn die Führungsspitze gewissermaßen ‚zu viel auf einmal‘ verändern möchte. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, neue Werte und Rahmenbedingungen Schritt-für-Schritt in den Kanzlei-Alltag einzuführen. So werden die Mitarbeiter einerseits nicht einer Fülle an Neuem überfahren. Andererseits ergibt sich so die Chance, den neu eingeführten Wert/ die neu eingeführte Haltung oder Rahmenbedingung auf die Probe zu stellen.  

Wie gehören Unternehmenskultur und Personalgewinnung zusammen?

Eine gute Unternehmenskultur bindet nicht nur Personal, sondern zieht auch neues Personal an. Ob sich ein Bewerber oder eine Bewerberin für oder wider eine Kanzlei entscheidet, hängt nämlich davon ab, wie gut sie zu ihm/ ihr und seinen/ ihren Bedürfnissen passt. Ist einem Bewerber bspw. transparente Kommunikation und der Einbezug bei kanzleiinternen Entscheidungen wichtig, wird es sich nicht für eine Kanzlei entscheiden, die auf autoritäre Entscheidungsfindung setzt.

Angesichts des gegenwärtigen Fachkräftemangels in der Steuerberaterbranche versuchen derzeit viele Kanzleien mit ihren einzigartigen Werten und ihrer außergewöhnlichen Unternehmenskultur zu werben. Leider wird dabei nicht selten mit falschen Versprechungen gelockt. Umso wichtiger also, potenziellen Kandidaten bereits beim Bewerbungsprozess zu signalisieren, dass in dieser Kanzlei die Werte x, y und z gelebt werden.

Wie das am besten gelingt, soll das folgende Beispiel zeigen:

Ein Steuerfachangestellter sucht eine Kanzlei, die ihm flexible Arbeitszeiten bietet und bereits besonders digitalisiert ist. Gleichzeitig sind ihm effiziente und schlanke Prozesse wichtig. Ausgehend von diesen Kriterien geht er nun auf die Suche nach einem potenziellen neuen Arbeitgeber. Er stößt auf mehrere Kanzleien, die zwar eine flexible Arbeitszeitgestaltung bieten, jedoch ist der Bewerbungsprozess besonders aufwendig – und das, obwohl sich die Kanzlei selbst als „Digitale Kanzlei“ bezeichnet. Der Steuerfachangestellte sucht also weiter und nimmt sich des Aufwands der Bewerbung gar nicht erst an. Er bewirbt sich schlussendlich bei einer Kanzlei, die zwar nicht mit dem Banner „Digitale Kanzlei“ wirbt, jedoch einen schlanken Bewerbungsprozess nach DEAR implementiert hat. Das zeigt ihm, dass die Kanzlei die Rolle effizienter Prozesse nicht nur erkannt hat, sondern auch aktiv im Kanzlei-Alltag einsetzt. Denn so kann sich der Steuerfachangestellte innerhalb weniger Minuten auf die offene Stelle bewerben – mit minimalem Aufwand, ganz ohne Papier, ohne Anschreiben, ohne Zeugnisse.

In 4 Schritten zur Änderung der Unternehmenskultur

  1. Mitarbeiterbefragung: Welche Werte sind wichtig? Welche sind veraltet und können weg? Welche Bedürfnisse haben meine Mitarbeiter? Was wünschen sie sich?
  2. Evaluation der Befragung: Wie kann ich als Arbeitgeber auf diese Bedürfnisse und Wünsche reagieren? Was kann umgesetzt werden, was nicht?
  3. Aufstellen einer neuen Unternehmenskultur anhand der aus Schritt 2 gewonnenen Ergebnisse
  4. Praktische Umsetzung im Kanzleialltag

*Bei der Umfrage wurden 1.903 Beschäftigte in einer Altersgruppe von 18 bis 65 Jahren befragt. Erhoben wurde die Umfrage im Januar 2022 von statista, in Kooperation mit appinio.