Eine Steuerberatungskanzlei kann, unabhängig von ihrem Standort, bundesweit beraten – Regionale Auftritte sind dennoch wichtig.

Viele Steuerberater träumen von einer zweiten Niederlassung in der nächstgrößeren Stadt oder im Nachbarort. Das unternehmerische Risiko einer solchen Expansion ist allerdings enorm. Was Berater beachten sollten, um mit einem neuen Standort erfolgreich zu wachsen, haben wir Ihnen in diesem Artikel zusammen gefasst.

Es gibt Steuerberater, die sich sehr lange und sehr gründlich überlegen, wie, wo und wann sie eine Zweigstelle eröffnen wollen. Sie beschäftigen sich monate-, manchmal sogar jahrelang mit dieser Frage, wägen Vor- und Nachteile ab, überschlagen die Kosten, lassen Experten Standortanalysen entwickeln, diskutieren mit Partnern und Mitarbeitern, bevor sie eine endgültige Entscheidung treffen und sich nach passenden Räumlichkeiten umschauen. Bei Ralf Jantschke war das Alles ein bisschen anders. Der Steuerberater arbeitet seit fast 20 Jahren in seiner Kanzlei im bayrischen Herzogenaurach. Rund 23.000 Menschen leben in der Kleinstadt, die wirtschaftlich vor allem für ihre Schuh- und Sportartikelindustrie bekannt ist: Hier residieren Adidas, Puma sowie die Schaeffier-Gruppe, die kleinere Autoteile produziert. Für eine Kanzlei, die keinen dieser wenigen Konzerne betreut, bietet Herzogenaurach kaum Potenzial für Wachstum. Jantschke betreibt daher seit drei Jahren eine Zweigstelle im elf Kilometer entfernten Erlangen – Ohne diesen Standort gezielt ausgewählt zu haben. Vielmehr führte ihn der Zufall dorthin.

Erlangen ist etwa fünf maI größer als die mittelfränkische Kleinstadt und bietet für Kanzleien ein viel größeres Potenzial. Das Problem dabei: „Unserer Erfahrung nach ist es so, dass Erlanger nicht nach Herzogenaurach kommen, wenn sie einen Steuerberater suchen“, sagt Ralf Jantschke. Wer in der Stadt lebt, schaut sich nicht in der benachbarten Kleinstadt nach einem Steuerberater um. Die Lösung: Wenn Mandanten nicht zum Steuerberater kommen, muss der Steuerberater eben zu seinen Mandanten gehen, allerdings ohne, dass die Kanzlei ihre bisherigen Mandate verliert. Eine Zweigstelle sollte das Problem lösen und neue Geschäftsfelder erschließen. Die passenden Räumlichkeiten waren schnell gefunden: „Wir hatten uns schon seit Jahren auf kleine und mittlere Handwerksbetriebe spezialisiert“, sagt Jantschke. So entstand der Kontakt zum Haus des Handwerks in Erlangen, in dem die Kreishandwerkerschaft residiert. Als dort eine Kollegin ihre Kanzlei aufgab, war für den Steuerberater klar: Das ist die ideale Gelegenheit, um den Schritt ins Neuland zu wagen.

„Laufkundschaft“ für Kanzleien

Drei Jahre ist das nun her. Inzwischen arbeiten 14 Mitarbeiter in der Zentrale der Kanzlei und drei in der Erlanger Zweigstelle. Geleitet wird die Außenstelle von einer jungen Kollegin, die auch Berufsträgerin ist. Für Jantschke hat sich die Entscheidung in mehrfacher Hinsicht gelohnt, auch wenn die Realität seine Erwartungen bisher noch nicht ganz erfüllen konnte. „Durch den Standort des neuen Büros haben wir direkten Kontakt zu potenziellen Mandaten“, sagt der Steuerberater – Das sei ein wesentlicher Gewinn. Der zweite Vorteil: Er kann mit seiner Kanzlei an zwei Orten neue Mitarbeiter anwerben – Das erhöht die Chancen, motivierte Kollegen zu finden, um ein Vielfaches. „Ich bin von der Idee nach wie vor überzeugt, auch wenn ich gehofft hatte, dass sich das Potenzial schneller entfalten würde“, sagt Ralf Jantschke. Er hatte gedacht, die neue Zweigstelle würde sich viel schneller rechnen und in deutlich kürzerer Zeit deutlich mehr Mandanten gewinnen.

Viele Kanzleiinhaber stehen im Laufe ihres Berufslebens vor der Frage, ob und wie sie weiter wachsen wollen und in welchem Rahmen eine Zweigstelle dabei hilfreich sein könnte. „Diese strategische Überlegung taucht bei uns immer wieder auf“, sagt Nicolas Dongus von der Kanzleiberatung Dongus Hospach Partner mit Sitz in Stuttgart. „Sie wird meist thematisiert, wenn eine Kanzlei eine Expansion anstrebt.“ Rein formal entsteht eine Zweigstelle auch dann, wenn Steuerberater irgendwann mehr Mitarbeiter beschäftigen, als sie in ihren bisherigen Räumen beheimaten können und deshalb in unmittelbarer Nachbarschaft neue Büros einrichten. „Aus strategischer Sicht wird es interessant, wenn die Zweigstelle eine eigenständige Einheit und nicht nur eine räumliche Erweiterung der Hauptniederlassung darstellt“, sagt Dongus. Das sind in vielen Fällen Zweigstellen, die beispielsweise in einer anderen Stadt angesiedelt sind.

Es geht auch um die Mitarbeiter

Nach der Erfahrung des Kanzleiberaters gibt es verschiedene Überlegungen, die dazu führen, dass Steuerberater die Eröffnung einer Zweigstelle in Erwägung ziehen. „Manche Kanzleien folgen beispielsweise wichtigen Mandanten, wenn diese in eine andere Stadt oder ins Ausland
gehen“, sagt Dongus. „Das ist mit sehr hohem Risiko behaftet. Es entsteht eine starke Abhängigkeit von einem Mandanten. Sollten Mandanten und Steuerberater aus welchen Gründen auch immer unterschiedliche Wege einschlagen, wäre das für die Kanzlei mit enormen finanziellen Einbußen verbunden.“

Die meisten Kanzleien eröffnen allerdings aus eigenem Antrieb einen weiteren Standort: Sie wollen schnell wachsen, vor allem gemessen an Mandaten. Neben diesem naheliegenden Aspekt lockt ein weiteres Argument: Steuerberater können einen weiteren Standort nutzen, um Mitarbeitern neue Perspektiven zu eröffnen, sie langfristig an die Kanzlei zu binden und zu motivieren. „Gerade auf einem Markt, auf dem gute
Mitarbeiter schwer zu finden sind und stark umworben werden, müssen Steuerberater die Bedürfnisse ihrer Angestellten genau kennen“, betont Kanzleiberater Nicolas Dongus. Wer jahrelang als Angestellter in seiner Position verharren müsse und keine Chance zur Weiterentwicklung bekomme, sei irgendwann frustriert und suche nach neuen Wegen, um sich weiterzuentwickeln. „Steuerberater, die aus strategischen Gründen eine Kanzlei eröffnen, können Mitarbeitern, die mehr Verantwortung und Herausforderung suchen, etwas Neues bieten“, sagt Dongus.

Marktforschung betreiben

Hat sich eine Kanzlei zu dem entschlossen, muss sie den richtigen Standort identifizieren. Nur wenn der Standort ideal ausgewählt ist, gelingt die Expansion. Gerade kleineren Kanzleien fehlen allerdings zum einen die Ressourcen, zum anderen die Erfahrung und das Fachwissen, um sich grundlegend über den richtigen Standort zu informieren. Der IT-Dienstleister Datev bietet für Kanzleien, die Unterstützung bei der Standortauswahl benötigen, einen umfangreichen Recherchedienst an. Geliefert werden Wirtschaftsdaten zum Standort, beispielsweise die Zahl potenzieller Mandanten und auch Wettbewerber. Der Dienst ist kostenpflichtig, der Preis berechnet sich nach dem Aufwand und wird auf Anfrage individuell vorab kalkuliert.

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