Top-Steuerberater im Ranking

Nach dem „Focus“ zeichnet nun auch das „Handelsblatt“ Steuerberater für ihre Leistungsqualität aus – Der Aufwand, den die Wirtschaftszeitung betreibt, ist beträchtlich.

Das „Handelsblatt“ hat in diesem Jahr erstmals die Top-Steuerberater in den zehn größten deutschen Städten ermittelt. Nach dem Magazin „Focus“ bietet damit auch Deutschlands wichtigste Wirtschaftszeitung ein Ranking für Steuerberater: Und damit eine weitere Bühne für Kanzleien, um sich zu profilieren.

Steuerberater Andre Meister aus Dortmund kam die E-Mail-Anfrage nicht ungewöhnlich vor: Ein Unternehmen fragte eine steuerliche Beratung an und bat um ein Angebot. „Wir haben routinemäßig im Handelsregister nachgeschaut, ob es die Firma gibt und um was für ein Unternehmen es sich handelt, um das Angebot passend schreiben zu können“, erzählt der Chef der Kanzlei Meister. Eine Woche später kam dann die Auflösung, dass es sich um eine Testanfrage für ein Steuerberater-Ranking des .,Handelsblatts“ gehandelt hatte. Und gleichzeitig das Angebot, an einem Onlinetest teilzunehmen. Neben allgemeinen steuerrechtlichen Fragen unter anderem zum Thema Vergütung von Steuerberatern und zum Einspruchsrecht nach der Abgabenordnung, bekam Meister Fragen zu seinem Fachgebiet, der steuerlichen Beratung von Handwerkern und Medizinern, sowieo zu umsatz- und gewerbesteuerlichen Besonderheiten bei Ärzten. Pro Antwort hatte der Steuerberater 30 Sekunden Zeit.

Die Idee hinter der zeitlichen Limitierung schien klar: Die Steuerberater sollten keine Zeit haben, stundenlang Fachliteratur zu wälzen oder Kommentare zu durchforsten, sondern die Fragen aus dem Stegreif beantworten. „Der Schwierigkeitsgrad der Fragen und die verfügbare Antwortzeit waren gut bemessen“, sagt Studienteilnehmer Meister.

Die Top-Liste des „Handelsblatts“, die auf dem Test und der verdeckten Recherche basiert, ist eine neue Möglichkeit für Steuerberater, sich werbewirksam auszeichnen zu lassen. Ende des vergangenen Jahres hatte ein Institut die Studie im Auftrag des „Handelsblatts“ erstellt und schließlich im Februar präsentiert. ln den zehn größten deutschen Städten kürten die Journalisten jeweils die zehn besten Steuerberaterkanzleien. „Für Steuerberater ist das eine gute Gelegenheit, auf sich aufmerksam zu machen“, sagt Nicolas Dongus, auf Marketing spezialisierter Kanzleiberater aus Stuttgart. „Auszeichnungen sind ein bewährtes Mittel, um sich positiv abzusetzen. Bei Menschen wirken solche Titel unbewusst, man kann sie nicht ausblenden.“ Wenn neue Mandanten auf der Suche nach einem neuen Steuerberater sind, kann eine Auszeichnung der ausschlaggebende Punkt sein, sich für einen Steuerberater und wider einen anderen zu entscheiden.

„Wenn Menschen einen neuen Steuerberater suchen, sind sie häufig unsicher, zu wem sie gehen sollen. Eine Auszeichnung kann dann den Impuls geben, sich mit der Kanzlei näher zu beschäftigen und sich für ein Erstgespräch zu entscheiden“, sagt Dongus. Zudem kann die Top-Platzierung in einem Ranking auch Mandanten an die Kanzlei binden. „Mandanten fühlen sich in ihrer Wahl bestätigt, wenn ihr Steuerberater ausgezeichnet worden ist“, sagt der Marketingexperte. Er berät mehrere Kanzleien, die bereits ausgezeichnet worden sind. Daraufhin haben sich Mandanten gemeldet, um dem Steuerberater zu seiner Auszeichnung zu gratulieren. „Normalerweise bekommt man ja nur eine Rückmeldung, wenn es Probleme gibt“, sagt Dongus. „In dieser Form funktioniert eine Auszeichnung auch als Mandantenbindung. Voraussetzung ist natürlich immer, dass der Mandant mit der Arbeit des Steuerberaters zufrieden ist.“ Ganz neu ist die Idee eines solchen Rankings freilich nicht. Das wöchentlich erscheinende Wirtschaftsmagazin „Focus Money“ kürt bereits seit zehn Jahren regelmäßig „Top-Steuerberater“. Viele Berufsträger machen mit, im immer schärfer werdenden Wettbewerb ist das Label von namhaften Wirtschaftsmedien eine willkommene Möglichkeit, sich von anderen Kanzleien abzusetzen. Auch beim „Focus“-Test müssen Steuerberater einen Test absolvieren. Wer unter den Besten landet, darf sich schließlich als „Top-Steuerberater“ bezeichnen und kostenpflichtig das entsprechende Siegel führen. „Es ist bei allen Anbietern üblich, dass man dafür bezahlt, nach entsprechender Prüfung ein Label zu führen“, sagt Dongus. „Ich würde die Gelegenheit bei seriösen Auszeichnungen in jedem Fall nutzen. Ein Qualitätslabel vom ,Handelsblatt‘ als Deutschlands wichtigster Wirtschaftszeitung oder auch vom ,Focus‘ als weit verbreitetem Wochenmagazin hilft, bei potenziellen Mandanten einen guten Eindruck zu machen.“ Damit das funktioniert, sollten Steuerberater die Auszeichnung freilich auch kommunizieren, zum Beispiel auf der eigenen Homepage, in Anzeigen und Pressemitteilungen. „Es ist wichtig, ein Marketingkonzept zu haben, das auf die Publikation der Auszeichnung ausgerichtet ist“, sagt Kanzleiberater Dongus.

Der zeitliche Aufwand für Steuerberater ist begrenzt

Der zeitliche Aufwand für den „Handelsblatt“-Test hielt sich in Grenzen, bei Steuerberater Meister hat das Beantworten der Online-Fragen rund 30 bis 40 Minuten gedauert. Für Meister sinnvoll investierte Zeit: Seine Kanzlei ist noch jung, und die Konkurrenz in Dortmund mit mehr als 100 Steuerberaterkanzleien groß. Seit 2012 ist Meister am Markt, neben seiner Ehefrau als angestellter Steuerberaterin beschäftigt er zwei Steuerfachangestellte. „Es ist schwierig, potenziellen neuen Mandaten die Qualität der eigenen Arbeit zu kommunizieren“, sagt Steuerberater Meister. „Wir versuchen, das über Soft Skills zu erreichen, zum Beispiel indem wir Anfragen potenzieller Mandanten schnell und kompetent beantworten.“ Das „Handelsblatt“- Ranking gibt ihm nun ein weiteres Argument an die Hand, um Interessenten von seiner Kanzlei zu überzeugen. „Für uns ist die Top-Platzierung ein gutes Qualitätsmerkmal und damit eine Gelegenheit, auf unsere Kanzlei aufmerksam zu machen und neue Mandanten zu akquirieren“, sagt der Chef. Er wirbt zum Beispiel auf seiner Homepage und in der Signatur seiner E-Mails damit, dass ihn das „Handelsblatt“ zu einem der besten zehn Steuerberater Dortmunds gekürt hat. Und das mit messbarem Erfolg: Meister hat bereits zwei neue Mandanten gewinnen können, die aufgrund der Auszeichnung als „Top-Steuerberater“ zu ihm gekommen sind. „Wir fragen neue Mandanten regelmäßig danach, wie sie auf uns aufmerksam geworden sind“, sagt Meister. „Bei zweien war es die ,Top‘-Platzierung.“ Und das bereits binnen drei Wochen, nachdem das „Handelsblatt“ die Studie veröffentlicht hatte. Ob Meister auch das kostenpflichtige Label kaufen will, hat er freilich noch nicht entschieden -Offenbar funktioniert die Werbung ja auch ohne.

Als Marketinginstrument geschätzt

Auch die Kanzlei RTS Steuerberatungsgesellschaft aus Backnang nördlich von Stuttgart ist unter den Top-Steuerberatern des „Handelsblatts“ gelandet. „Das ist natürlich eine Auszeichnung, über die wir uns freuen“, sagt Steuerberater und RTS-Partner Albrecht Krimmer. Völlig neu ist das Label „Top-Steuerberater“ für die Kanzlei nicht, die Kanzlei ist bereits mehrmals vom „Focus Money“ ausgezeichnet worden. „Ich kann nicht sagen, wie viele Mandate wir konkret durch solche Auszeichnungen bekommen“, sagt Krimmer. „Aber sie sind sicherlich ein nützliches Add-on im Marketing, um uns als Marke zu positionieren.“

Zur Kanzlei zählen derzeit neben dem Hauptsitz bei Stuttgart zwölf weitere Standorte, die im Tagesgeschäft weitgehend unabhängig voneinander ihre Mandanten vor Ort betreuen. Zentrale Funktionen wie Personal, Finanzen, Organisation und Marketing verwaltet die Kanzlei allerdings standortübergreifend, um die Prozesse möglichst effizient zu halten. Ein Kompetenzzentrum dient als Backoffice für alle Standorte für besonders komplexe steuerliche Themen. „Wenn man solche Strukturen einmal etabliert hat, lohnt es sich, sie für möglichst viele Standorte zu nutzen“, sagt Kimmer. Er und seine Partner wollen weitere Kanzleien unter dem Dach der RTS bündeln und damit weiter wachsen. “ Auszeichnungen in Medien wie dem ,Handelsblatt‘ und ,Focus Money‘ können auch in dieser Hinsicht nützlich sein“, ist Krimmer überzeugt.

Steuerberater Carsten Baums von der Kanzlei Auren aus Frankfurt sieht die Top-Platzierung seiner Kanzlei etwas nüchterner. „Das Vergleichen und sich Messen liegt im Trend und ist auch nicht grundsätzlich verkehrt, man sollte es nur nicht übertreiben“, sagt der 47 -Jährige. Seine Kanzlei mit vier Partnern und 20 Mitarbeitern ist auf Internationales Steuerrecht spezialisiert, zur Mandantschaft zählen auch Dax-Konzerne. Diese testen ihre Steuerberater ohnehin selbst, bevor die Arbeit richtig losgeht: „Bei denen bekommt man am Anfang erst einmal kleine Fälle sozusagen zur Probe. Wenn man die gut gemeistert hat, bekommt man die interessanten Mandate“, erzählt Baums. Auszeichnungen wie die des „Handelsblatts“ sind für ihn deshalb eher Beiwerk als handfestes Argument beim Wettbewerb um neue Mandate. Das aktuelle Ranking findet er aber zweckmäßig, weil die investierte Zeit im Rahmen blieb: „Gemessen am überschaubaren Aufwand ist das ,Handelsblatt‘-Ranking schon in Ordnung.“

„Ein positives Grundrauschen“

Steuerberater Arne Fischer aus Berlin hat es unter die Top-Steuerberater der Hauptstadt geschafft, außerdem zählt er in der Branchenkategorie „Medien und Internet“ zu den Top-Beratern. „Spezialisierungen werden auch für kleine Kanzleien immer wichtiger“, sagt der Gründungspartner der Fischer & Partner Steuerberatungsgesellschaft, die 14 Mitarbeiter beschäftigt. „Solche Rankings erleichtern potenziellen Mandanten die erste Orientierung.“ Für Fischer war es das erste Mal, dass er an einem Ranking teilgenommen hat. „Ich habe zunächst einmal aus purem Interesse mitgemacht“, sagt der Steuerberater. „Außerdem hat ein solches Ranking positive Effekte für die Außendarstellung der Kanzlei.“ Den Online-Test hat er in einer ruhigen Minute im Urlaub gemacht. „Ich wusste vorher nicht, dass die Zeit für die Antworten begrenzt ist. Das war dann schon herausfordernd, zumal die Fragen durchaus anspruchsvoll waren.“ Für Fischer hat sich die halbstündige Urlaubsunterbrechung jedenfalls gelohnt. Nach der Veröffentlichung im „Handelsblatt “ hat er mehrere Anfragen von neuen Mandanten bekommen. „Es ist jetzt nicht so, dass das Telefon nicht mehr stillsteht, aber wir haben spürbar mehr neue Anfragen als sonst.“

Auch im Kollegenkreis ist das Ranking ein Thema. „Mehrere interessierte Steuerberater haben mich schon gefragt, wie das Ranking-Verfahren abgelaufen ist“, erzählt Fischer. „Das ist einfach ein positives Grundrauschen.“ Für den Kanzleichef soll es deshalb nicht bei der einen Auszeichnung bleiben: „Wir wollen demnächst auch erstmals am ,Focus‘- Ranking teilnehmen.“

Die „Handelsblatt“-Studie im Überblick

Für die Studie hat das Sozialwissenschaftliche Institut Schad (SWI) im Auftrag des „Handelsblatts“ rund 5.700 Steuerberaterkanzleien in den zehn größten deutschen Städten angeschrieben. Das SWI hat die Daten für die Studie von September bis Dezember 2015 erhoben, das Handelsblatt veröffentlichte die Ergebnisse im Februar 2016.

Schritt 1: Verdeckte E-Mail-Anfrage

Die Kanzleien bekamen eine E-Mail mit einer Anfrage im Namen eines im Handelsregister eingetragenen Unternehmens, auf die 1.250 Kanzleien geantwortet haben. ln die Wertung ging ein, wie schnell die Steuerberater sich zurückmeldeten, auch eine Absage zum Beispiel wegen fehlender Kapazitäten werteten die Tester positiv.

Schritt 2: Online-Test

Nach einigen Tagen legten die Tester das eigentliche Ziel der Anfrage offen und luden sämtliche 5.700 Steuerberater ein, online einen Fragebogen auszufüllen. Auch die Steuerberater, die nicht auf die E-Mail-Anfrage reagiert hatten, konnten mit einem sehr guten Testergebnis eine Top-Platzierung erreichen. Insgesamt beteiligten sich 1.500 Steuerberater an dem Test. Die Tester fragten im ersten Teil Details zur Kanzlei wie berufliche Qualifikationen, Mitarbeiterzahl und Fachgebiete ab. Im zweiten Teil mussten die Steuerberater ihre fachliche Kompetenz unter Beweis stellen: Der Test bestand aus Fragen zum allgemeinen Steuerrecht und zu den jeweiligen Spezialgebieten jeder einzelnen Kanzlei.

Bewertung: Die Steuerberater konnten maximal 700 Punkte erreichen. Dei Tester verteilten diese zum einen auf die Reaktion auf die E-Mail -Anfrage (maximal 100 Punkte), die Beschäftigung von Fachberatern und Fachanwälten (max . 100 Punkte), Basiswissen (max . 100 Punkte) und Fachkompetenz (max. 400 Punkte).

Teilnehmende Steuerberater: 27 Prozent der teilnehmenden Steuerberater zählten zur Kategorie kleine Kanzlei (weniger als fünf Mitarbeiter), 51 Prozent waren mittlere Kanzleien (fünf bis 25 Mitarbeiter), 14 Prozent mittelgroße (26 bis 100 Mitarbeiter) und sieben Prozent Großkanzleien (mehr als 100 Mitarbeiter).